Liebe Gitte, Du gehörst zu den eigensinnigsten Menschen, die ich kenne. Eigensinnig insbesondere auch deshalb, weil Du beruflich das tust, was Dir wichtig ist und Spaß macht, nämlich Schreiben.
Wie bist Du dieser Leidenschaft auf die Spur gekommen? An welchem Punkt war für Dich klar, dass Du Deine Selbstständigkeit komplett auf das Schreiben ausrichtest?
Ich habe immer geschrieben, als Kind, als Jugendliche, als Angestellte habe ich viele Briefe und Werbetexte formuliert und optimiert. Dass sich das Schreiben als Berufsziel herausstellte, kam, weil ich für unsere damalige Coaching- und Trainingsfirma, die ich mit einer Kollegin gegründet hatte, viele Texte im Netz und schließlich auch Bücher geschrieben habe. Da habe ich schnell gemerkt: „Das ist es doch! Das fällt dir leichter als alles andere. Das macht dir am meisten Spaß.“ – und je mehr ich geschrieben habe, desto besser bin ich geworden.
Als wir nach zehn Jahren beide Lust auf etwas Neues hatten, war für mich klar, dass ich die Gelegenheit nutze, mein Angebotspalette möglichst auf das Schreiben umzustellen.
Was waren die wichtigsten Schritte in der Neuausrichtung und was die größten Risiken, Bedenken oder gar Ängste?
Mein Ideal wäre es, komplett vom Bücherschreiben leben zu können. Das ist aber nicht so einfach, wenn man nicht einen richtigen Bestseller landet, der sich entweder absurd oft oder kontinuierlich richtig gut verkauft. Also war die Hauptfrage: Mit welcher Leistungspalette kann ich vom Schreiben leben? Ich habe mir einen Mix geschaffen und dadurch unterschiedliche Einkommensquellen: Selbstlernkurse, Online-Workshops, Texten für Kunden, Schreib- und Buchcoachings. Zusätzlich schreibe ich auch kontinuierlich eigene Bücher.
Bedenken hatte ich, weil ich mir zuvor ja – gemeinsam mit meiner Kollegin – eine bekannte und gutgehende Website aufgebaut hatte. Wir hatten zum Beispiel fast 7000 selbst abonnierte Newsletterleser. Natürlich hatte ich keine Lust, von Null anzufangen! Der rein logische Schritt wäre gewesen, die etablierte Seite weiter auszubauen, anstatt alles plattzumachen.
Die wichtigsten Schritte waren: Wirklich durchdenken, was ich künftig anbieten will und ob ich vielleicht alles irgendwie integrieren kann. Aber auch die Entscheidung, letztlich dann doch einen klaren Schnitt zu machen. Hätte ich die alte Website weitergeführt, hätte ich damit enorm weitere Arbeit am Bein gehabt für Themen, die mich nicht mehr so stark interessieren.
Angst habe ich bei sowas nicht, weil ich es ja geplant und schrittweise gemacht habe: Ich habe die Schreib-Website fast ein Jahr vor dem Schließen der alten Firma schon online gestellt und mit dem Bloggen und Newsletter begonnen – und bereits erste Aufträge abgewickelt.
Aber ich war positiv überrascht, dass es doch relativ schnell ging, Schreibnudel aufzubauen und ich merke auch alle paar Monate einen deutlichen Schub in Lesern und Kunden. Auch die Workshops sind fast alle konstant gebucht, manche Themen sind verlässlich ausgebucht. Auch wenn ich noch lange nicht auf dem alten Besucherzahlen- und Newsletter-Abonnenten-Niveau bin, geht alles in die richtige Richtung.
Wie fühlt es sich an, mit und von seiner Leidenschaft zu leben?
Mein Maßstab ist Spaß, Unkompliziertheit und Unabhängigkeit. Darum ist es natürlich wunderbar, dass ich vom Schreiben lebe und durchweg nette Kunden habe. Denn das ist ebenso wichtiges Auswahlkriterien bei neuen Aufträgen: Finde ich den Menschen, der was von mir will, sympathisch? Das ist das eigentliche Glück: Ich mag meine Kunden total gerne. Die Zusammenarbeit ist locker, wir lachen viel, können Klartext reden und ich bin begeistert, mit und für sie Texte aus der Taufe zu heben oder zu optimieren.
Gibt es Ungeliebtes und wie gehst Du damit um?
Wenn ich etwas nicht (mehr) mag, schaffe ich es ab. Zum Beispiel liebe ich Abwechslung und wechsle daher nach einigen Durchgängen meine Trainingsthemen, damit keine Routine aufkommt. Oder in den seltenen Fällen, wo mir Kunden zu umständlich sind oder die Chemie doch nicht stimmt, führe ich den Auftrag gut zu Ende aber arbeite künftig nicht mehr für sie.
Was ich nicht gerne mag ist Verwaltungszeug. Für die Buchhaltung habe ich zum Glück eine gute Freundin, auf die ich mich voll verlassen kann. Die Kundenbetreuung für Routine-Fragen (Rechnung nochmal ausdrucken etc.) macht eine Kollegin. Und ansonsten hat jede Sache natürlich einen gewissen Anteil an Routine – ob es das Korrekturlesen eines Buches ist oder das Schreiben von Rechnungen – das gehört dazu.
Neben Schreibnudel hast Du zwei weitere Blogs, schreibst Bücher, textest für andere, coacht etc. – Das ist hammerviel Arbeit. Wie machst Du das mit der Selbstdisziplin?
Ich bin ein Gern- und Immer-schon-Vielarbeiter. Da mir das Schreiben enorm leicht fällt, bin ich sehr produktiv. Zudem suche ich mir meine Kunden und Projekte gut aus, so dass ich kaum Projekte habe, zu denen ich mich irgendwie zwingen müsste.
Gleichzeitig bin ich im Grunde ein bequemer Mensch, der gerne nach dem Lustprinzip arbeitet. Damit das geht, muss man gut organisiert sein und die Machbarkeit einschätzen können. Disziplinieren muss ich mich lustigerweise eher in die andere Richtung: zurückfahren, mehr Pausen einplanen.
Wie oder wo tankst Du auf?
Das ist, wie gesagt, mein Schwachpunkt. Ich bin kein guter Auftanker oder Pausenmacher. Was sehr, sehr nützlich ist, ist die fast komplett freie Zeiteinteilung. Ich habe vor zwei Jahren persönliche Termine komplett abgeschafft, so dass ich kaum mehr irgendwo zu einer bestimmten Zeitpunkt sein muss. Wenn nicht gerade ein Online-Workshop läuft, kann ich auch mal bis mittags schlafen oder mich nachmittags ins Café verziehen. Das ist zwar nicht richtig auftanken, aber schon die ultimative Freiheit.
Ansonsten tut es mir gut, mehrmals die Woche draußen Sport zu machen, da ich ein ziemlicher Stubenhocker bin.
Für all das musst Du dauer-kreativ sein. Wann kommen Dir die besten Ideen?
Zum Glück brauch ich mich nicht groß anstrengen, um auf Ideen zu kommen. Ich habe auch kein Ritual oder eine bestimmte Umgebung. Je nach Projekt und Tagesform ist es für mich wichtig, die eigenen vier Wände zu verlassen. Wenn ich zum Beispiel an einem Buchkonzept arbeite oder für einen Kunden einen längeren Text optimieren soll, dann mach ich das lieber im Café. Da bin ich nicht abgelenkt und kann mich besser vergraben.
Ich glaube, dass Menschen in kreativen Berufen sich mit der Zeit immer besser kennenlernen und daher einschätzen können, wann sie gerade nicht in Stimmung sind. Insofern geht es eher um die Frage „Wann kommen dir keine Ideen?“, „Wann ist dein Kopf zu voll für eine bestimmte Aufgabe?“ Denn so versucht man erst gar nicht, mit der Brechstange ranzugehen.
Was hat Dich bewogen, das Blog „Himbeerwerft. Das Leben ist Ansichtssache.“ ins Leben zu rufen?
Ich gebe seit 1999 andauernd Tipps im Internet. Nach Tausenden von Artikeln, die immer konkreten Lesernutzen haben müssen, wollte ich ein Spaßprojekt haben. Da schreibe ich über Dinge, die mich interessieren, auch ganz banales Zeug: mal lustig, mal langweilig, mal ernsthafter. Ich nutze das Blog auch für Selbst-Tests, was auch ganz eigennützig ist. Denn wenn ich öffentlich sage „Ich mache jetzt eine Woche lang dieses oder jenes“, dann mach ich es auch wirklich. Außerdem habe ich für dieses Blog mit dem Fotografieren angefangen, das ist auch eine schöne Bereicherung.
Du bist ein direkter Mensch. Hast eine Meinung und äußerst sie, und zwar auch dann, wenn sie polarisiert oder Gegenwind vorprogrammiert ist. Wie gehst Du mit selbigem um und würdest Du sagen, dass Du ein „von Natur aus dickes Fell“ hast?
Dickes Fell würde ich jetzt nicht sagen, aber ein robuster Bayer. ;-) Ich komme gut klar mit direkten Statements, weil ich, wie du schon sagst, auch direkt bin. Gegenwind macht mir auch nichts aus. Allerdings rege ich mich natürlich schon auf, wenn Leute total unsachlich oder gar bösartig sind. Das kann ich nicht ab. Direktheit hat nichts mit Grobheit zu tun. – Ich habe auch mein ganzes Leben lang schon die Erfahrung gemacht, dass fast jeder Direktheit schätzt. Wenn man merkt, dass das Motiv dahinter stimmt.
Jetzt die ganz große Frage: Was ist Dir wichtig in Deinem Leben?
Freiheit & Unabhängigkeit in jeder Hinsicht, eben auch Gestaltungsfreiheit in meiner Arbeit oder die freie Zeiteinteilung.
Und zum Schluss: Welche drei Tipps würdest Du jemandem geben, der etwas Wichtiges in seinem Leben verwirklichen will, sich aber nicht traut?
- Anschauen, warum er sich nicht traut.
- Zweifel ernst nehmen, aber immer mit der Frage „Wie könnte es gehen?“
- Graduelle Änderungen machen: Lieber kleine Schritte, aber die kontinuierlich!
Ich will noch ein Zitat von Terry Pratchett ergänzen, das eine großartige Grundeinstellung ist: „Klar kann ich das! Ich habs nur noch nie gemacht.“
Mehr über Gitte Härter finden Sie auf:
Schreibnudel – ihr Blog mit super Beiträgen rund ums Schreiben, Kurs- und Coaching-Angeboten
Unternehmenskick – die Webseite mit praktischen Tipps und Selbstlernkursen für Selbstständige
Himbeerwerft – das Spaßblog von Gitte mit interessanten und lustigen Beiträgen aus dem Leben für das Leben