Wut, Ekel oder heftiges Erschrecken sind sinnvolle Gefühle oder Reaktionen. Doch sie auszuhalten und zu verarbeiten, ist wahrlich kein Vergnügen. Solche Situationen sind Stress pur. Allein deshalb ist es sinnvoll, sich wirksame Bewältigungsstrategien zu suchen. Ich möchte Ihnen vier vorstellen und Sie einladen, sich mit eigenen auseinanderzusetzen.
1) Sich Raum und Zeit nehmen!
Ihr Chef macht Sie zur Sau. Ein Auto erwischt Sie um ein Haar. Sie sehen etwas, das Ihnen einen heftigen Würgereiz beschert. Schneller als Sie es bewusst überreißen können, meldet Ihr Hirn an Ihr sympathisches Nervensystem: „Alarm! Gefahr!“ und zack sind Sie innerlich mindestens auf 180.
Jetzt einfach mit dem weitermachen zu wollen, was Sie eigentlich vorhatten, wird verdammt schwer. Wer sich dennoch zwingt, wird
- viel mehr Kraft aufwenden müssen,
- dafür viel länger brauchen als sonst und
- mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schlechteren Ergebnissen kommen.
Sie würden sich auch deshalb damit keinen Gefallen tun, weil starke Stressreaktionen bewusst abreagiert werden müssen und Ausgleich brauchen. Versucht man diesen immer mit Verdrängung oder extremer Selbstkontrolle Herr zu werden, kommt es zu ernsthaften Störungen und Krankheiten. Daher ist dieser erste Tipp „Sich Raum und Zeit nehmen“ essentiell und zudem eine Voraussetzung für alle Folgenden.
Wer gut für sich sorgen will, muss in starken Stresssituationen die Handbremse ziehen, um sich den Raum und die Zeit zu nehmen, die er zur Verarbeitung des emotionalen Ausnahmezustandes braucht!
Ja, das mag an mancher Stelle nicht einfach sein, doch auch nicht unmöglich.
Ein Beispiel
Als ich noch angestellt war, hat mich ein damaliger Chef mal vor allen Leitungskreis-Kollegen derart zusammengefaltet, dass ich ihm vor Wut wahlweise gerne eine gescheuert oder aber geheult hätte. Beides fand ich keine gut Idee, daher habe ich ihn bemüht beherrscht aufgefordert, das ganze doch bitte sachlich zu besprechen. Wollte er scheinbar nicht, daraufhin hab ich das Meeting verlassen.
Ah jo, sowas passt nicht in unsere emotional ach so kontrollierte Arbeitswelt, und der Vorfall sprach sich schnell rum. Ein Kollege meinte hinterher, ich hätte mein Gesicht verloren. Eine Kollegin, die wusste, das ich auch Yogalehrerin bin, fragte, wieso ich mich nicht einfach durch mentale Beruhigung in den Griff bekommen hätte. Doch ich sag Ihnen was: Gesichtsverlust halte ich für Blödsinn. Diese eigensinnige Einstellung muss man zwar aushalten können, doch dabei hilft ein gesundes Selbstwertgefühl. Und es gibt Ungerechtfertigkeiten, bei denen geht mir das Messer in der Tasche auf, und da hilft mir kein bewusstes Atmen und kein Om. Dann muss ich mich abreagieren!
2) Bewegen & Energie abbauen
Nachdem ich den Besprechungsraum verlassen hatte, marschierte ich eine halbe Stunde im Stechschritt um das Bürogebäude. Dabei habe ordentlich geschnauft und hin und wieder laut geflucht. Das hat mir geholfen. Eine Klientin rennt in solchen Fällen die Treppen hoch und runter. Ein Freund zerknüllt und zerreist Papier und trampelt darauf rum. Wem das kindisch erscheint, bitte schön. Wem peinlich, der mache es an einem Ort, an dem er nicht gestört, gehört und gesehen werden kann. Das ist alles besser, als aushalten und schlucken.
Und Achtung, hier geht es ja nicht nur um Wut! Auch lähmende Schrecksituationen oder durch Ekel ausgelöste Panikattacken haben den Effekt, dass unser Sympathikus uns auf Flucht vorbereitet und übermäßige Energie freisetzt. Die muss abgebaut werden. Nur so bekämpfen Sie aktiv schädigenden Stress. Probieren Sie aus, was Ihnen hilft. Vielleicht ist die gute alte Hampelmann-Übung was für Sie oder Sie gehen joggen, wenn Sie es einrichten können. Nur anstrengend sollte es sein.
3) Singen & Musizieren
Singen ist ebenfalls eine Möglichkeit, sein hochgepeitschtes Gemüt zu besänftigen. Eine Kursteilnehmerin hat berichtet, dass Sie sich in emotional stark angespannten Situationen mit Ihrem I-pod an ein ungestörtes Plätzchen zurückzieht und je nach Möglichkeit entweder richtig laut oder aber leise, also ohne Stimme aber mit entsprechenden Mundbewegungen und Körpereinsatz erst mit harten, dann mit sanfteren Klängen abreagiert. Ein anderer Seminarteilnehmer musiziert lieber selbst und baut krasse Stressreaktionen wunderbar beim Klavierspielen ab.
Wie Musik generell beim Stimmungsmanagement behilflich sein kann, darüber habe ich in diesem Beitrag geschrieben.
4) So richtig kräftig Ausatmen
Bewusstes, zur Beruhigung führendes Atmen wird häufig genannt, wenn es um Emotionsregulierung geht, und das mag für manche durchaus zielführend sein. Wenn es grad ordentlich rappelt, hilft mir das allerdings nicht. Vielmehr muss das Atmen dann ebenfalls kraftvoll sein und das kann beispielsweise so aussehen:
Beugen Sie Ihren Oberkörper nach vorne und atmen Sie wenn möglich lautstark ein und dann besonders tief und ebenfalls hörbar wieder aus. Intensives Ausatmen stimuliert den Parasympathikus, also den entspannenden Counterpart des sympathischen Nervensystems. Sie können dabei Ihre Oberarme auf die Knie stützen oder ausschüttelnd mit ihnen Ihre Ausatmung unterstützen. Ganz wie es Ihnen gut tut.
Alternativ können Sie die yogische Feueratmung anwenden, wie ich sie im Anti-Ätzgefühl-Artikel beschrieben habe. Alle anderen dort genannten Strategien könnten Ihnen übrigens auch in den hier besprochenen Situationen helfen.
Diese Löschkommando-Aktionen sind dafür gedacht, Druck abzubauen und emotionale Extremsituationen möglichst schnell zu entschärfen. Natürlich bin ich grundlegend dafür, wiederholt auftretende Probleme bei der Wurzel zu packen und dauerhaft etwas seine für innere Gelassenheit und Stärke zu tun, beispielsweise mit Entspannungs- und Mentaltrainings-Techniken wie dem Autogenen Training und einer Lebensführung, die zu den eigenen Werten und Vorstellungen passt. Doch Bewältigungsstrategien für krasse Situationen zu haben, denen wir im Leben sicher immer wieder begegnen, ist schlicht gute Selbstfürsorge.
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