Vor kurzem hat mich Simone Happel von Lifestylistin.de interviewt. Bei der Elevator-Pitch-Frage verdrehte ich genervt die Augen, weil ich diese Art der Kurzvorstellung dick habe. Zugleich inspirierte sie mich zu diesem Beitrag.
Warum Elevator Pitchs?
Der Elevator-Pitch ist eine „Ich verkauf mich schnell und unwiderstehlich“-Marketing-Idee, die, wie mir scheint, immer mehr Menschen brav übernehmen. Und zwar nicht nur in der Geschäftswelt, zumindest im Großstadtdschungel passiert das auch immer mehr im Privaten. Keine Party mehr ohne Elevator. Selbst bei der Partnerwahl oder beim Erstkontakt mit dem anvisierten Freizeitclub überlegt man sich heute offensichtlich schon im Vorfeld, wie man sich möglichst begehrenswert, lukrativ und bitteschön zügig darstellen könnte.
Die Hintergründe der Elevator-Idee: Es muss Ihnen gelingen, die Neugier, besser noch Gunst, einer oder mehrerer Personen in der Kürze einer Aufzugfahrt für sich zu gewinnen, und zwar
- proaktiv, rasch und unmissverständlich,
- die Einzigartigkeit herausstellend,
- erinnerungswürdig und aktivierend.
Damit wir uns nicht missverstehen: Ich will hier keineswegs die Notwendigkeit dessen in Frage stellen, den Kern seines Angebots oder das, was einen persönlich ausmacht, aussagekräftig auf den Punkt bringen zu können. Das ist wichtig. Doch muss diese oftmals überfallartig wirkende Hetze sein? Oder die krampfhafte Aufmotzerei eines Angebotes, das gar nicht einzigartig ist? Speziell am hintrainierten Elevator nervt mich:
1. Meist sind sie schlecht
Nur wenigen gelingt es, sich selbst, das eigene Angebot oder die Eigenschaften und Fähigkeiten so treffend und des-Merkens-würdig in zwei Sätze oder eine Sprechzeit von 20 – 60 Sekunden zu packen, dass sie es schaffen, andere tatsächlich neugierig zu machen oder konkret bei ihrem Problem zu packen.
Das ist keineswegs verwunderlich, denn zum einen sind wir, oder das was wir rüberbringen wollen, nicht so einfach in zwei Sätze zu stricken. Zum anderen ist das Kerngeschäft der meisten nicht Texterei oder Marketing.
Dennoch versuchen viele diesem „kurz, knackig, unwiderstehlich“ gerecht zu werden. Nicht selten hört man dann entweder langweiligen, austauschbaren Einheitsbrei oder aber hübsch auswendig gelernte Texte gespickt mit Modeworten und exorbitant eigenartig klingenden Formulierungen.
Leider ist weder das eine noch das andere aussagekräftig, originell und neugier-erregend. Und noch mal: Das hinzubekommen, ist nicht leicht. Dafür braucht es zunächst eine extrem gute Kenntnis seiner selbst oder dessen, was man anpreisen will. Zudem muss man verstehen, das auch treffend in Worte zu fassen.
2. Leute verbiegen sich dabei
Haben Sie schon mal jemanden beobachtet, der sich total unwohl fühlt, wenn er seinen Elevator zum Besten gibt? Ich hab da berufsbedingt ein Auge drauf. Zudem weiß ich aus meinen Selbstmarketing-Beratungen, dass gar nicht Wenige diese hingezimmerte Variante des Sich-vorstellens hassen. Und dass liegt nicht nur am Vortragen- oder Sich-Anpreisen-müssen selbst, sondern auch, dass sie glauben, sie müssten sich dafür aufhübschen.
Wer sich aktiv einen Elevator Pitch erarbeitet, will etwas erreichen. Und das ist absolut in Ordnung. Oft wollen Menschen jedoch dabei unbedingt und ausschließlich dem entsprechen, was potentiell interessante Unternehmen, Kunden oder Traumpartner erwarten oder was gerade angesagt ist. Und daher wird sich dann nicht einfach selbstbewusst dargestellt, sondern auch übertrieben, geblendet oder anderen nach dem Mund gesprochen.
Gut verpackt Dargebotenes wird ja durchaus abgenommen. Doch was passiert, wenn man hinter das Hochglanzpapier schaut? Verbiegerei hält auf Dauer keiner durch und aus. Das wissen die meisten und auch daher fühlen sie sich dabei unwohl.
Andere wiederum haben beim Elevator Talk das Gefühl, sie müssten sich selbst die Flügel stutzen. Ihnen geht entweder dieses „schnell, einzigartig, unwiderstehlich“ von vornherein auf den Zeiger. Oder sie fühlen sich dabei eingeengt und wie ein Stück Marktvieh. Verständlich, denn wir und unser Tun sind (zum Glück!) vielschichtig und facettenreich. Wird sich dann trotz innerem Widerstand an dieser Kurzvorstellung versucht, merkt man es ihr eben auch an. Ihren eigentlichen Zweck erfüllt sie nicht.
3. Sie fördern die Oberflächlichkeit
Waren Sie schon mal auf einer Visitenkartenparty? Oder beim Single-Speed-Dating? – Da schwirren einem nach all den Elevator Pitchs nach kurzer Zeit die Ohren. Es gibt ja auch schon Job-Speed-Datings. Das stelle ich mir ungefähr so vor:
„Hallo, ich bin Erfolga Perfektioni, innovativ, superintelligent, hochfrustrationstolerant. Von der Elite-Schmiede „World-best“ zum high-potential Fasttracker bei „Always Exzellent“ nun zu Ihnen, der „Best of the Universe Company“. Ich möchte meine Superduperfähigkeiten unermüdlich dafür einsetzen, Ihre multipotent-best-in-class products zu den top-leading-edge solutions of the future zu revolutionieren.“
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht; ich jedenfalls kann solches vor Superlativen strotzendes Gerede nicht mehr hören und suche dann schnell das Weite. Ich mag ein entspanntes Miteinander auf Augenhöhe, in dem sich Menschen zeigen können, wie sie sind und in dem ein wirklicher Austausch möglich wird. Darauf muss man sich einlassen wollen, denn das erfordert Mut zum Ich und zur Tiefe und das braucht Zeit. Und mal ehrlich: Muss all dieses „Ich bin schneller, besser, weiter…“ dauernd sein?
Wenn Sie neugierig sind, was ich nun im Interview auf Liefestylistin.de geschrieben habe – hier können Sie es nachlesen.