Diesen Spruch hat letzthin ein Kölner Freund gesagt, als ich in geselliger Runde erzählte, dass ich einen Willenskraft“-Vortrag ausarbeite.
Ich musste sofort loskichern. Nicht der Bedeutung wegen, sondern weil ich die Bollen-Formulierung so lustig finde.
Die Bedeutung ist es wahrlich nicht, sie ist gleicherweise zu „Freche Kinder kriegen nichts.“ oder „Wer nicht hören kann, muss fühlen“ und meint, man wird bestraft oder kriegt eins drauf.
Und sogleich entspann sich eine Diskussion über derartige Sprüche und ihre Folgen, wie tief sie sich einbrennen und unterschwellig wirken. Die am Tisch, die selbst Eltern sind, überprüften sogleich kritisch ihre Kindererziehung daraufhin.
Im Coaching nennt man solche unbewusst wirkenden Tyrannen einschränkende Glaubenssätze. Sie sind ein zentrales Thema, hindern sie doch oft an der Verwirklichung von Zielen oder sorgen dafür, dass die eigene Meinung nicht geäußert und kontroverse Standpunkte nicht vertreten werden. Um nur ein paar Auswirkungen zu nennen.
Was sind Glaubenssätze und wo kommen sie her?
Grundlegend sind Glaubenssätze nicht per se negativ, sondern hilfreich. Vereinfacht ausgedrückt sind es Überzeugungen, die auf komplexen inneren Denkprozessen und Erfahrungen beruhen. Sie drücken aus, was wir für wahr halten und geben uns Kontinuität und Sicherheit in dieser komplexen Welt. Glaubenssätze haben einen starken Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Verhalten.
Einschränkende Glaubenssätze wiederum sind überhaupt nicht hilfreich, sondern behindern uns oder legen uns Scheuklappen an. Wir tun etwas nicht oder sehen nur eine einzige Möglichkeit oder Vorgehensweise. Zudem prägen sie unsere Erwartungen – und entsprechend dieser bewerten wir alles.
Beziehen können sich die hinderlichen Gesellen auf die eigene Person: „Dafür bin zu alt.“, auf die Beziehung zu anderen „Immer muss ich alles alleine machen.“ oder auf die Welt als solche „Dieser Planet steht am Rande des Zusammenbruchs, das macht doch keinen Sinn mehr.“.
Ihr Ursprung kann in der Kindheit liegen, so unser „Bollen-Spruch“. Doch auch als Erwachsene übernehmen wir Glaubenseinstellungen oder Lebenskonzepte, beispielsweise vom Partner oder von Vorgesetzten. Das passiert im Normalfall unbewusst.
Müssen wir ihr Opfer bleiben? – Nein, wir sind bewusste Wesen, können hinterfragen, umbewerten und Neues einüben. Und das sind auch die Schritte, die mit denen Sie sich Glaubenssätzen bewusst werden und sie verändern können.
4 Schritte, hinderliche Glaubenssätze zu entlarven und zu ändern
Schritt 1: Erkennen, denn nur was bewusst ist, kann verändert werden
- Achten Sie auf Verallgemeinerungen wie „immer“ oder „alle“ und ähnliches in Ihren Sätzen.
- Die Sache mit den scheinbar lustigen Sprichworten hatten wir schon. Welche verwenden Sie oder welche verbinden Sie mit Gefühlen wie Sarkasmus, Ironie oder Abneigung?
- Fragen Sie Menschen, die Sie gut kennen, beispielsweise Freunde danach. Welche Sprüche verbinden diese mit Ihnen? Durch welche Überzeugungen behindern Sie sich aus deren Sicht? Das Feedback von Außenstehenden ist hier sehr aufschlussreich.
- Nehmen Sie sich Glaubenssatzlisten vor, die gibt es im Netz oder in entsprechenden Büchern und reflektieren Sie. Oder machen Sie hier gleich mit:
Glaubenssatz-Check
Lesen Sie sich die folgenden Glaubenssätze zunächst in Ruhe durch und bewerten Sie sie in Bezug auf sich selbst.
1 = trifft auf mich zu und bewegt mich sehr /
6 = trifft überhaupt nicht auf mich zu, ist mir vollkommen fremd
- Viel verändern kann man nicht. Das meiste ist genetisch vorgegeben.
- Das Leben muss man planen. Sonst hat man keinen Erfolg.
- Anerkennung von außen ist wichtig, ohne sie kann ein Mensch nicht glücklich leben.
- Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste und die Ziele erreiche.
- Andere zu kritisieren ist verletzend und kann zu Trennung führen.
- Wenn man nicht alles selbst macht, wird es auch nichts.
- Die Arbeit dient dem Broterwerb, sonst nichts.
- Auf andere sollte man sich nicht zu sehr verlassen, sonst wird man enttäuscht.
- Neuen Bekannten gegenüber sollte man sich erst einmal zurückhalten. Vertrauen wird zu oft missbraucht.
- Eltern muss man pflegen, das gehört sich nun mal so.
- Im Leben hat man eine Bestimmung oder Lebensaufgabe. Nur wenn man die findet und erfüllt, wird man glücklich.
- Geld gibt Sicherheit.
- Mein Ehepartner erwartet, dass ich erfolgreich bin.
- Man muss sich im Leben anstrengen, sonst erreicht man nichts.
Schritt 2: Glaubenssätze hinterfragen
Nachdem Sie hinderliche Glaubenssätze identifiziert haben, aus der Liste sind das die mit den höheren Bewertungen, führen Sie eine Art Bestandsaufnahme durch. Fragen Sie sich:
- Woher kommt diese Überzeugung? Wer sagt das?
- Wie lange glaube ich das vermutlich schon so?
- Denken wichtige Bezugspersonen in meinem Leben ähnlich?
- Woran genau hindert mich dieser Glaubenssatz?
Machen Sie diese Übung schriftlich und nehmen Sie sich Zeit dafür. Schon durch die Bewusstmachung der Hintergründe und Motive passieren manchmal Aha-Effekte, die einen auflösenden oder abschwächenden Einfluss des Glaubenssatzes bewirken.
Schritt 3: Glaubenssatz umstrukturieren
Im Coaching wird der Vorgang, hinderliche Glaubenssätze durch förderliche zu ersetzen „kognitives Umstrukturieren“ genannt. Arbeiten Sie auch hier wieder schriftlich und überlegen Sie sich:
- Welche Glaubenssätze will ich ändern? – Suchen Sie sich dann zunächst den heraus, der Sie aktuell am meisten beschränkt.
- Schreiben Sie ihn dann auf, z. B. auf ein großes Blatt oder eine Tafel und überlegen Sie:
- Wie lautet die gegenteilige Aussage?
- Wie würden andere Menschen den Glaubenssatz beurteilen oder damit umgehen? – Denken Sie hier beispielsweise an Freunde, nahestehende Kollegen, Ihren Partner.
- Gibt es Situationen, in denen der Satz nicht zutrifft?
- Wie lautet der Satz, dass er für Sie neutral klingt?
- Welche positiven Umdeutungen gibt es?
- Wie, sieht ein entsprechend förderlicher Glaubenssatz aus? Welche witzigen Sprüche fallen Ihnen ein?
- Welche Symbole oder Bilder unterstützen den zumindest entlarvten, besser noch positiv gewandelten neuen Satz?
- Nehmen Sie dann ein neues Blatt Papier und schreiben Sie den neutralisierenden oder förderlichen Glaubenssatz auf.
Schritt 4: Bewusst bleiben & Üben, üben, üben
Schritt 4 klingt einfach, ist es aber nicht. Hinderliche Glaubenssätze sind tief in uns verankert und lösen sich in der Regel nicht dadurch auf, dass sie bewusst sind. Was bewusst ist, fällt uns aber auf und somit können wir immer dann, wenn wir bemerken, dass der alte Glaubenssatz hindern will, den förderlichen aufrufen und einüben. Solange, bis er verinnerlicht ist. Seien Sie also bewusst und geduldig. Und üben Sie.
Übrigens: Was „Bollen“ sind, konnte mir der Kölner Freund nicht genau sagen. Das Hinterteil vermutet er. Wissen Sie es?
Kommentare zu “Kinder, die was wollen, kriegen was auf die Bollen”